Babsi Zangerl und Jacopo Larcher haben nach ihrer kürzlich gelungenen Begehung von „The Gift“ in der vergangenen Woche die zweite und dritte Wiederholung von „Seventh Direction“ geschafft. Babsi konnte dabei erneut die erste Damenbegehung für sich beanspruchen. Die 220m lange Route befindet sich in der Drusenfluh-Ostwand im Rätikon und ist mit 8c bewertet, wobei die 5. der 7 Seillängen die Crux der Route darstellt. Die Route folgt einem besonders steilen Teil der Wand und ist durchgehend mit anhaltender und anstrengender Kletterei verbunden.
Babsi Zangerl und Jacopo Larcher unterwegs im Rätikon
Die Begehungen von Babsi und Jacopo folgten auf die erste Wiederholung der Route durch Nemuel Feurle eine Woche zuvor.
Babsis Kommentar:
Am 15. August, nachdem wir unser Projekt „The Gift“ abgeschlossen hatten, erfuhren wir, dass Nemo erfolgreich die „Seventh Direction“ geklettert war, die sich an der gleichen Wand, aber etwa 50 Meter weiter links befindet. Im Gegensatz zu „The Gift“, das eine sehr schwere Seillänge (8c) und eine weitere mit 8a+ bewertet hat, ist „Seventh Direction“ durchgehend schwierig und führt durch den steilsten Teil des Massivs. Während wir an „The Gift“ arbeiteten, sahen wir Nemo oft auf dieser ausgesetzten Route stürzen. Er verbrachte zwei Sommer lang zwei volle Tage mit der Arbeit an der Route und machte schließlich Ende August die allererste Wiederholung von „Seventh Direction“.
Nachdem Jacopo „The Gift“ geklettert hat beschloss er, Nemo für einen Tag in die „Seventh Direction“ zu begleiten, um ein Gefühl für die Route zu bekommen. Sie kletterten gemeinsam die erste schwierige Seillänge, bevor ein schweres Gewitter sie zum Rückzug zwang. Beim nächsten Versuch war ich dabei.
Jacopo und ich verbrachten drei Tage zusammen an der „Seventh Direction“. Wir arbeiteten alle Seillängen aus und fanden Lösungen für die schwierigen Abschnitte, wobei wir sehr von Nemos früheren Bemühungen profitierten. Er hatte seine Fixseile zurückgelassen und die Route war bereits mit sichtbaren Chalkmarkierungen versehen, was unsere Aufgabe ein wenig erleichterte. Nach drei Tagen Arbeit an den verschiedenen Seillängen beschlossen wir, eine Rotpunktbegehung zu versuchen. Da fünf der acht Seillängen von 8a bis 8b+ reichen beschlossen wir, die Route auf die gleiche Weise anzugehen wie The Gift“ – einer von uns führte alle Seillängen an einem Tag, der andere am nächsten. Um zu entscheiden, wer zuerst gehen würde, spielten wir Stein-Papier-Schere. Das Glück war auf meiner Seite und ich gewann, was bedeutete, dass ich am nächsten Tag dran war.
Am 1. September starteten wir früh, da es an diesem Tag mit hoher Wahrscheinlichkeit Gewitter geben sollte. Die ersten drei Seillängen waren leicht, aber die erste schwierige Seillänge im steilen Teil der Wand kostete mich meine ganze Energie; ich war noch nicht richtig aufgewärmt und schaffte es kaum, diese Seillänge zu klettern. Meine Arme waren ausgepumpt und ich fühlte mich schon nach dem ersten schweren Teil des Überhangs erschöpft. Nach einer kurzen Pause ging es weiter, ich fühlte mich sicherer, aber immer noch nervös. Ich kämpfte mich durch ein kniffliges Boulderproblem, nur um kurz vor dem Stand der zweitschwersten Seillänge zu stürzen. Frustriert!!
Jacopo ließ mich wieder zum Standplatz hinunter. Ich versuchte es 45 Minuten später erneut und schaffte es bis zum Stand. Ich war wieder im Spiel. Dann kam die schwierige Seillänge. Es war ein harter Kampf, aber ich schaffte es gerade so und klammerte mich an den Standplatz, als ich merkte, dass ich immer noch eine kleine Chance hatte, die ganze Linie an diesem Tag zu klettern. Ohne viel Ruhe, verängstigt durch die dunklen Wolken am Himmel, kämpfte ich mich durch die nächste 8a Seillänge und schaffte es bis zur letzten Seillänge, als der Himmel immer dunkler wurde. Ich fragte Jacopo, ob er statt zu klettern mit dem Jumar hochsteigen könnte, um Zeit zu sparen, denn wir hörten ein nahendes Gewitter.
Wieder keine Zeit für eine richtige Pause, begann ich die letzte Seillänge, die ich am meisten ausgecheckt hatte. Ich war zuversichtlich, aber auch ziemlich erschöpft. Vielleicht war die Eile und der Druck zu groß, um weiterzumachen. Wieder stürzte ich beim allerletzten Zug. Ich dachte, es sei vorbei. Doch dann geschah ein Wunder – ein kleines blaues Fenster öffnete sich in den Wolken direkt über unserer Route, während es um uns herum regnete. Nach einer Stunde Pause klarte der Himmel auf und gab mir so noch eine Chance. Ich fühlte mich entspannter und kletterte schließlich nach einer ordentlichen Pause durch die Schlüsselstellen und erreichte den Gipfel.
Es war einer meiner intensivsten und motivierendsten Tage im Rätikon – eine unglaubliche, steile Kletterei durch den wildesten Teil dieser Wand auf der Gelbegg. Danke, Alex Luger, für diese tolle Route! Und ein grosses Dankeschön an meinen Partner für all die Unterstützung während des Tages und für all die tollen Momente, die wir gemeinsam erlebt haben. Jacopo kletterte die Route zwei Tage später, am 3. September. Er hatte nicht einen einzigen Sturz. Er kletterte alles beim ersten Versuch im Vorstieg! Es war ein perfekter Tag, wir waren super schnell, beide sturzfrei und wir standen schon um 14:30 Uhr oben am Ausstieg. Das war ein perfekter Abschluss eines tollen Sommers, in dem wir viel Zeit im schönen österreichischen Teil des Rätikons verbracht haben.“