Arco Forever


Klettern in Arco am Gardasee
©Piotr Drozdz

Als ich an einem brütend heißen Augusttag 1984 im Zentrum von Arco aus dem Bus klettere, ahne ich noch nicht, welche Rolle dieser Ort noch in meinem Leben einnehmen wird.

Arco – Klettermekka am Gardasee

Text: Horst Jobstraibitzer | Pics: Piotr Drozdz

Ich bin mit einem Klassenkameraden auf Maturareise. Einen Monat lang sind wir gemeinsam kreuz und quer durch Italien unterwegs und nun schleppen wir unsere Tramperrucksäcke schwitzend am Fuße des Colodri entlang in Richtung Camping Zoo.

Kletterer? Fehlanzeige!
Biker? Doppelte Fehlanzeige!
Basejumper? Dreifache Fehlanzeige!

Am Campingplatz stehen nur einige, wenige Zelte und hier treffe ich endlich auf Kletterer. Zwei von ihnen kenne ich. Peter Schäffler aus Vorarlberg und den Wiener Alfred „Horror Alfi“ Fachet. Während Peter gerade die Toproute „La Signora degli Appigli“ (7c) unten am See projektiert, geht es Alfi etwas gemütlicher an und wird mein Partner bei meinen ersten Routen am Nordufer des Gardasees.

Am Gipfel des Colodri
©Piotr Drozdz

Seither hat sich hier vieles getan.

Das einstmals ruhige und verschlafene Dörfchen am Nordende des Gardasees hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der weltweit wichtigsten Kletterzentren gemausert – mit tausenden Kletterrouten im Sarcatal und den benachbarten Tälern.

Waren es vor vierzig Jahren noch grimmig abgesicherte, fußtechnisch enorm anspruchsvolle Plattenrouten an der „Spiaggia delle Lucertole“ direkt am Gardasee oder im „Swing Area“ oberhalb des legendären Camping Zoo, welche Aspiranten schon bei der Anreise nach Arco den Angstschweiß von den Fingerspitzen tropfen ließen, so hat sich das Bild mittlerweile völlig geändert.

Klettern in Arco
©Piotr Drozdz

Der Großteil der rund fünftausend, in den aktuellen Kletterführern angeführten Routen, ist bestens abgesichert und verspricht Angst- und Sorgenfreies Klettern. Und das in allen Schwierigkeitsgraden. Selbst für Anfänger und Kinder gibt es eine ganze Reihe erschlossener Massive an deren Routen der Einstieg in die Vertikale gefahrlos erlebt werden kann.

So zu finden zum Beispiel am Lago di Lamar, einer der letzten Errungenschaften des Outdoorparks Garda Trentino. Mit drei Minuten ebenem Zustieg, direkt am Ufer des gleichnamigen Sees gelegen, bietet diese zwölf Meter hohe Wand rund zehn bestens abgesicherte Routen zwischen 5a und 6a.

Stefano Ghisolfi in Excalibur
©Piotr Drozdz

„Excalibur“

Das obere Ende der schwierigkeitsmäßigen Fahnenstange Italiens ist ebenfalls in Arco zu finden.

Stefano Ghisolfi, seit einigen Jahren in Arco lebend, hat sich einem Projekt angenommen, das vor einigen Jahren sogar vom Visionär Christian Brenna noch als unmöglich eingestuft wurde – „Excalibur“.

Die Route macht seinem Namen alle Ehre, denn es sieht tatsächlich so aus, als wäre der Felsblock mit dem legendären Schwert von König Artus gespalten worden. Winzige Strukturen in der sonst mauerglatten, leicht überhängenden Schnittfläche machen eine kletterbare Linie möglich und bisher ist es nur Stefano, nach rund zwanzig Tagen des Projektierens, gelungen die Züge sturzfrei aneinanderzureihen.

9b+ – die schwierigste Route Italiens wartet also in Arco auf potentielle Wiederholer.

Wenn man sich aber überlegt, dass 99 Prozent der Kletterer, die abends durch die Gässchen Arcos von Sportgeschäft zu Sportgeschäft flanieren, sich bei Pizza, Vino Rosso und Aperol Spritz von den Strapazen des Tages erholen und keinen Einzigen der Griffe von Excalibur halten können, wird klar – es muss auch anderes geben.

Klettermekka Arco
©Piotr Drozdz

Und das gibt es. Zuhauf!

Der Tourismusverband Garda Trentino hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Outdoorpark den Besuchern von Arco und dem Sarcatal bestmögliche Voraussetzungen zum Klettern zu bieten.

Ganzjährig sind zwei hauptamtlich angestellte Park Ranger damit beschäftigt, Kletterrouten zu sanieren und zu erschließen um unter dem Slogan „safety first“ ein plaisier Erlebnis der Sonderklasse den sonnen- und felshungrigen Arco Besuchern zu offerieren.

Achtundzwanzig betreute Massive sind es aktuell, an denen man bestmöglich vor Groundfalls und Steinschlägen geschützt, seiner vertikalen Leidenschaft frönen kann. Darunter auch einige mit großen, klassischen Namen wie Massone, San Siro oder Nago – Felsen an denen schon seit Mitte der 1980er Jahre geklettert wird, die aber trotz abgekletterter und rutschiger Griffe und Tritte nichts an Beliebtheit eingebüßt haben und immer noch zu den begehrtesten Destinationen im Sarcatal gehören.

Sportklettern in Arco
©Piotr Drozdz

Zusätzlich zu gemeinhin bekannten Felsen wurden auch weniger bekannte Massive saniert. Für Comano oder Sunny place zum Beispiel muss man zwar hoch hinauf durch pittoreske italienische Ortschaften in die judikarischen Täler fahren, aber ein Besuch macht sich allemal bezahlt. Oftmals, zumindest unter der Woche, ist man dort beinahe allein und man kann die Ruhe an bestens gesicherten Routen im Kreise seiner Freunde genießen.

Wer jedoch glaubt, dass der Kampf um einen freien Parkplatz in Massone den letzten abenteuerlichen Aspekt Arcos bietet, irrt sich gewaltig. Es gibt immer noch genügend Abenteuerrouten an den riesenhaften Wänden des Monte Brentos und seiner flankierenden Nachbarn, die für mehrere Klettererleben reichen. Von Technohämmern der frühen Erschließer aus den Sechzigern bis zu bohrhakengesicherten, modernen Multipitchrouten in denen neben solidem Kletterkönnen auch eine ordentliche Portion Mut abgefragt wird.

Alle Besucher aber, ob Plaisier-, Sport- oder Abenteuerkletterer, Klettersteiggeher, Wanderer oder Mountainbiker sind sich in einem Punkt einig – nichts toppt das abendliche Einkaufserlebnis in den zahlreichen Sportgeschäften entlang der Via Segantini.

Nach erfolgreichem Kaufrausch in den Gastgärten der Cafes alte Freunde und Bekannte zu treffen oder auch neue Freundschaften zu schließen rundet den perfekten Urlaubstag ab.

Arco bietet das alles in seinem unerreichten, südländischen Charme und wenn man zum Ende des Aufenthaltes auf der Heimreise einen letzten Blick auf die Wellen des Lago di Garda wirft, ist man sich sicher – am liebsten möchte man für immer hierbleiben.

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