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James Pearson wiederholt Mystic River 8c

Der britische Kletterer James Pearson hat erfolgreich die vermutlich dritte Begehung von „Mystic River“ in Brione, Schweiz, geschafft.

James Pearson klettert Mystic River

Der Boulder wurde erstmals im Januar 2021 von dem lokalen Schweizer Boulderer Giuliano Cameroni geklettert, wobei er am selben Tag auch die zweite Begehung von dem amerikanischen Kletterer Shawn Raboutou erhielt. Der Boulder wurde mit dem Grad 8C (V15) bewertet und ist aufgrund seiner Schwierigkeit sowie seiner Lage im Fluss und den logistischen Herausforderungen seitdem nicht wiederholt worden. James begann erstmals im Februar 2023 mit dem Versuch von Mystic River und arbeitete in den letzten zwei Jahren etwa 10 Sessions an dem Problem.

Hier die Geschichte von James:

„Mein letztes langfristiges Boulderprojekt war ‚The Buttermilker‘ in Bishop, Kalifornien, als ich gerade 18 Jahre alt geworden war. Ich glaube, ich habe etwa 10 Tage an diesem Problem gearbeitet. Danach wandte sich meine Aufmerksamkeit anderen Kletterarten zu, und seitdem habe ich nicht mehr so viel Zeit in einen Boulder investiert.

Als ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal Aufnahmen von Mystic River sah, erinnere ich mich, dass ich von der Schönheit des Felsens und der Komplexität der Züge fasziniert war. Ich dachte mir, wie sehr ich es gerne irgendwann einmal probieren würde… Ich hatte keine Ahnung, wie dieses Boulderprojekt einen großen Teil meines Lebens bestimmen würde.

Ich habe den Boulder das erste Mal bei einer Familien-Bouldertour in der Schweiz gesehen. Ich war seit 15 Jahren nicht mehr im Tessin gewesen und war gespannt, einige der neuen Entwicklungen zu erkunden, in der Hoffnung, ein Projekt zu finden, an dem ich arbeiten konnte. Ich probierte auf dieser Tour viele wirklich schöne Boulder, darunter ‚Unison‘, ‚Poison The Well‘ und sogar ‚Alphane‘, aber es war Mystic River, der wirklich meine Aufmerksamkeit erregte. Damals war der Absprungbereich ziemlich schlecht. Es gab sehr wenig Sand und Kieselsteine, nur eine sanfte Neigung aus flussgewaschenem Granit, die in ein kaltes, tiefes Becken führte. Es war schwierig, den Boulder ohne Spotter zu probieren und ich dachte mir, dass ich, wenn ich das ernsthaft versuchen wollte, wohl kreativ werden müsste.

Wir kehrten im folgenden Jahr zurück und diesmal begann ich, ernsthaft Zeit in Mystic River zu investieren. Ich machte bereits gute Fortschritte an dem Boulder und hoffte, dass ich ihn vielleicht durchsteigen könnte. Der Fluss hatte unter dem Boulder einen schönen Sand- und Kiesstrand hinterlassen und ich begann, mich sicher zu fühlen, ihn auch ohne Spotter zu probieren. Es gab immer noch ein paar aufregende Momente, in denen ich spontan vom Boulder fiel, wenn ich versuchte, meine Füße für den Schlüsselzug hochzusetzen, aber ich landete nie im Wasser!

Am Ende dieser Tour war die Haut an meiner linken Hand durch den scharfen Crux-Griff zerstört und meine rechte Ferse pochte von den intensiven Hooks! Als ich wieder Zeit fand, hatten mir ein paar Freunde Fotos vom Fluss geschickt, der inzwischen viel zu hoch war! Ab diesem Zeitpunkt begann meine Obsession mit diesem Boulder. Ich verschickte Nachrichten an alle die ich kannte und die in Brione waren, um den Pegel des Flusses für mich zu überprüfen, plante Möglichkeiten wie ich das Absprunggebiet eventuell verbessern könnte, damit ich es wieder probieren konnte, selbst wenn das Wasser ungewöhnlich hoch war.

Im Januar dieses Jahres ergriff ich die Gelegenheit, für ein paar Tage alleine hinunterzufahren. Normalerweise steigt der Wasserstand des Flusses im Sommer und sinkt im Winter, aber als ich in Brione ankam sah ich, dass der Fluss hoch war, und als ich zum Boulder ging, fand ich die Reste eines winzigen Absprungbereiches. Vielleicht genug, um ein paar Züge mit Spotter zu probieren, aber weit entfernt davon, dass ich es alleine versuchen konnte.

Zum Glück hatte der Fluss eine riesige Sand- und Kiesbank direkt rechts hinterlassen, also griff ich mir eine kleine Schaufel aus dem Van und hatte nach ein paar Stunden ein schönes, flaches Landing gebaut. Ich hatte eine großartige Session an dem Boulder, bei der ich beim letzten Zug fiel und die erste Hälfte des Problems konstant durchstieg. Am Ende dieses Besuchs wusste ich, dass ich es schaffen konnte… ich brauchte nur noch ein bisschen mehr Zeit.

Ich mag es nicht von Caro und den Kindern getrennt zu sein, aber ich war so in diesen Boulder vertieft, dass ich unbedingt zurückkehren wollte. Mein Plan war, kurz vor den Schulferien wieder ins Tessin zu fahren um es fertigzumachen und rechtzeitig zurück zu sein, um mit den Kindern etwas Spaß zu haben. Ich verabschiedete mich und fuhr die 10-stündige Reise alleine ins Tessin. Ich fuhr direkt zu Mystic River und fand das schöne, flache Landing, das ich bei meinem letzten Besuch hinterlassen hatte, nun unter 20 cm Wasser!

Zwei Tage Graben später hatte ich genug Steine und Sand aus anderen Bereichen des Flussbetts bewegt, um einen kleinen Strand zu schaffen, gerade groß genug für meine Crashpads! Es war eine rückenschonende Arbeit, aber die einzige Option… na ja, eigentlich hätte die vernünftige Wahl darin bestanden, einen der tausend anderen großartigen Boulder im Tessin zu genießen, aber zu diesem Zeitpunkt wird wohl klar, dass meine Beziehung zu diesem Boulder alles andere als vernünftig war.

Die nächste Woche lebte und atmete ich Mystic River während ich versuchte, seine Geheimnisse zu entschlüsseln. Manche Sessions fühlten sich großartig an, bei anderen konnte ich kaum anziehen. Bei einigen Versuchen fiel ich beim letzten Zug und beim nächsten Versuch fiel ich gleich beim ersten oder zweiten. Noch nie habe ich einen so schweren Boulder probiert!

James Pearson beim Bouldern im Tessin
@Sam Pratt

Die Session in der ich Mystic River kletterte war ein perfektes Beispiel für alles, was ich an diesem Boulder liebe und hasse. Als ich zum Boulder kam, hatte ich schon fast beschlossen, nicht zu klettern, da ich dachte, die Bedingungen würden später am Tag besser werden. Dann tauchte zufällig ein junger italienischer Kletterer namens Pietro Vidi auf und fragte, ob er es mit mir probieren könnte. Ich war noch nicht von den Bedingungen überzeugt aber dachte, es wäre trotzdem einen Versuch wert da es schön wäre, mal wieder mit jemand anderem zu klettern.

Pietro ist ein großartiger Kletterer. Er ist Anfang 20, hat aber bereits mehrere 8C+ Boulder geklettert und ‚Tribe‘, eine der weltweit schwersten traditionellen Routen, wiederholt. Ich machte einen wirklich guten ersten Versuch, fiel beim letzten Zug und dann, nach ein paar weiteren Versuchen, fiel ich jedes Mal durch einen unerwarteten Hand- oder Fußrutscher. Alles begann auseinanderzufallen. Ich verbrachte vier oder fünf Versuche damit, beim ersten oder zweiten Zug zu fallen und den richtigen Foothook nicht zu halten. Ich dachte, das könnte das Ende der Session sein… Vielleicht hatten sich die Bedingungen geändert, oder vielleicht war ich einfach zu müde nach fast einer Woche, in der ich immer wieder die gleichen Züge versuchte. Ich wollte fast aufgeben, wusste aber, dass dies wahrscheinlich meine letzte Session der Reise war, also entschied ich mich, eine lange Pause zu machen, meine Schuhe zu wechseln und es noch ein paar Mal zu versuchen… Und dann, endlich schaffte ich den Boulder beim nächsten Versuch!

Der erfolgreiche Versuch war nicht anders als viele meiner vorherigen Versuche. Ich fühlte mich nicht besonders solide, aber entweder aus Glück oder dem vielem Probieren machte ich wenige Fehler. Ich bin wirklich froh, dass ich das letzte Stück gut einstudiert habe, weil es, obwohl es nicht sehr schwer ist, schwer vorstellbar gewesen wäre, dort zu fallen. Ich toppte den Boulder in einem Zustand des Unglaubens. Ich weiß nicht, ob die ungeheure Arbeit die ich in diesen Boulder investieren musste, objektiv betrachtet es wert war… Aber es machte diesen Moment wirklich unglaublich!“

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